Studie: Viele Pflegebedürftige beschäftigen Helferinnen aus Osteuropa und verzichten auf professionelle Pflege. Beratung ist oft unbekannt.

Aufschluss über die Situation der häuslichen Pflege gibt eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung, durchgeführt vom Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft in Saarbrücken. Die Zahlen  sind zwar nicht aktuell, die Problematik ist aber dieselbe geblieben. Die wichtigsten Ergebnisse:

  • 2,86 Mio. Menschen waren im Dezember 2015 pflegebedürftig. Zuhause versorgt wurden 2.080.000 (gut 70 %) – davon 1.380.000 von Angehörigen und 692.000 von ambulanten Pflegediensten.
  • Der Zeitaufwand im Haushalt lebender Hilfskräfte beträgt durchschnittlich 69 Stunden pro Woche, der von Pflegediensten 8,4 Stunden.
  • Die häusliche Pflege übernehmen zu 29 % eine Tochter des/der Pflegebedürftigen, zu 26% Ehefrau oder Lebenspartnerin, 22 % Ehemann oder Lebenspartner, 10 % ein Sohn, 5% eine Schwiegertochter, außerdem Verwandte, Freunde, Schwiegersöhne (1%) und Sonstige.
  • In gut jedem zehnten Pflegehaushalt lebt eine Hilfskraft, zumeist aus Osteuropa. Arbeitsrechtliche Mindeststandards seien kaum realisierbar. Für mittelständische Familien seien diese Arbeitsmigrantinnen oft die einzige Möglichkeit, um den Umzug in ein „Heim“ zu vermeiden.
  • Eine im Haushalt lebende Betreuerin koste 1470 bis 3400 Euro im Monat. Eine professionelle 24-Stunden-Pflege würde dagegen 10-18.000 Euro kosten.
  • Deutsche Vermittlungsagenturen werben mit verbotener 24-Stunden-Pflege.
  • Laut Stiftung Warentest gibt es 266 Anbieter für im Haushalt lebende Betreuerinnen (2017). 2009 seien es erst 60 gewesen.
  • Mehr als die Hälfte der 1000 befragten Familien gab an, auf professionelle Pfleger zu verzichten.
  • Jeder fünfte Pflegebedürftige wird nur von einem einzigen Menschen versorgt.
  • Die Beratung zu den Pflegebedürftigen gesetzlich zustehenden Mitteln erreichen bildungsferne „Schichten“ kaum.
  • Die gesetzliche Pflegeberatung wird aus folgenden Gründen nicht genutzt: 45 % sehen keinen Bedarf, 35 % haben keine Informationen über Beratungsangebote.
  • Die Pflegezeit wird nicht genutzt, weil sie bisher nicht notwendig war (49 %), diese Leistung unbekannt ist (25 %) oder Schwierigkeiten mit dem Arbeitgeber befürchtet werden (10 %).

Die Antworten der Politik: Die SPD will eine Alternative zu den 24-Stunden-Helferinnen schaffen und staatliches Geld an die „soziale Absicherung der Beschäftigten“ koppeln. Die Grünen halten dieses Versprechen wegen der zu hohen Kosten für falsch. Wichtiger sei gute Beratung. Die Linke fordert eine Pflege-Voll-Versicherung auch für legale Rund-um-die-Uhr-Pflege zuhause. Die CDU verweist auf die Pflegegrade und die Erhöhung der Mittel für Bedürftige, die laut Studie bei komplexen Problemen nicht ausreichen. (Die Position der FDP wurde nicht genannt.)

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 7. Juni 2017

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