Auf gute Nachbarschaft: Ein Bündnis von Bürgern will ein nachbarschaftliches Hilfenetzwerk in Mülheim etablieren

Dieser Artikel ist im Mülheimer Jahrbuch 2020 erschienen, das u.a. in den Mülheimer Buchhandlungen erhältlich ist. Er gibt einen umfassenden Einblick in die Ziele und Projekte der Dialog-Offensive Pflege. 

Frau Schulze hat Durst, scheitert aber am festsitzenden Verschluss der Wasserflasche. Die Kraft ihrer Hände hat sehr nachgelassen. Eine andere Flasche hat sie nicht. Der Wasserkasten steht im Keller, und den Weg schafft sie kaum noch. Was nun? Der Pflegedienst kommt erst abends wieder.

Herr Jäger würde so gerne an die frische Luft, aber seine Wohnung hat keinen Balkon. Den Weg aus der zweiten Etage bis vor die Haustür bewältigt er nicht mehr allein. Mit seinem Rollator kann er sich nur zwischen den Zimmern fortbewegen. Wenn er wenigstens eine Zeitung von heute hätte…ein Tag ohne Gesellschaft zieht sich unangenehm in die Länge.

Einen Verschluss aufdrehen, ein Getränk aus dem Keller holen, eine Zeitung besorgen. Ein paar nette Worte wechseln, fragen, wie es geht. Für all‘ das braucht man keine professionellen Pflegekräfte. Das kann beinahe jeder übernehmen. Sind Familie oder Freunde nicht nahe genug, wären das prima Aufgaben für Nachbarn. Vielen alleinlebenden älteren oder hilfebedürftigen Menschen wäre damit sehr geholfen.

Ohnehin ist der Mangel an professionell Pflegenden so groß, dass diese in zunehmendem Maß ausschließlich die eigentliche Pflege leisten können. „Der Pflegenotstand wird in den nächsten 30 Jahren aufgrund der älter und pflegebedürftig werdenden geburtenstarken Jahrgänge extrem“, prognostiziert Martin Behmenburg, Mitinitiator der Dialog-Offensive Pflege und Inhaber eines Mülheimer Pflegedienstes.

Nachbarschaftliche Hilfeleistungen, die Erledigung alltäglicher Hilfen können Pflegefachkräfte nicht erbringen. Ohne ehrenamtliches und nachbarschaftliches Engagement, so die Einschätzung der Dialog-Offensive Pflege, wird der gesellschaftliche Zusammenhalt im Sinne einer sorgenden Gemeinschaft zukünftig nicht mehr zu leisten sein. Den Unterschied zwischen ehrenamtlichem Engagement und nachbarschaftlicher Hilfe definieren die Planer*innen dieses Hilfenetzwerkes so: Nachbarschaftliches Engagement findet stets punktuell statt und beruht auf keiner langfristigen Verpflichtung. Es sollte auch dann leistbar sein, wenn man anderweitig stark eingebunden ist. Ehrenamtliches Engagement ist zumeist an feste Strukturen oder Organisationen gebunden und verläuft systematischer, oftmals in Kombination mit professionellen und karitativen Organisationen.

Die Dialog-Offensive Pflege hat sich vorgenommen, nachbarschaftliches Engagement in Mülheim zu fördern. Ziel ist es, ein flächendeckendes Unterstützungsnetzwerk in der Stadt zu schaffen. Die vielfältigen bereits vorhandenen Angebote und Initiativen sollen weiter vernetzt und ausgebaut werden.

Auftakt: Fachtag „Mülheimer Perspektiven“

Das Bestreben, 2019 mit dem Aufbau eines nachbarschaftlichen Hilfenetzwerkes zu beginnen, war ein wichtiges Ergebnis des Fachtages „Mülheimer Perspektiven“. Die Dialog-Offensive Pflege hatte am 12.12.2018 zum Austausch in den Mülheimer Altenhof eingeladen. Im Mittelpunkt stand das Thema „Fachkräftemangel in der Pflege“. Die Resultate fanden auch Eingang in die 2019 von Sozialplaner Jörg Marx erstellte „Kommunale Planung für Alter und Pflege“.

Etwa 80 Fachleute, Pflegekräfte, Auszubildende, pflegende Angehörige und interessierte Laien trugen in intensiven Diskussionen eine große Bandbreite an Problemen, Herausforderungen und Lösungsansätzen zusammen. Zu den Gästen zählten unter anderen Christian Pälmke, vormals Vorsitzender von „wir pflegen NRW“, Bodo Keissner-Hesse, Leiter der Bildungsakademie für Gesundheitsberufe Mettmann und stv. Bundesvorsitzender des Deutschen Berufsverbands für Altenpflege, Heidrun und Siegfried Räbiger, Regionalbeauftragte für Mülheim und Oberhausen der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen e.V. Bonn sowie Sina Steffen und Alexander Wilke, Projektleiter(in) von care4future Bonn / Bochum. Sie alle stellten hoch interessante Projekte vor, um Pflegebedürftigen und Angehörigen zu helfen und den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Vertreten waren auch Mitarbeiter*innen der Arbeitsagentur und des kommunalen Jobcenters.

Konsens aller Beteiligten war:  

  1. (Alten-)Pflege ist ein Thema der gesamten Gesellschaft. Wir alle können als Angehörige oder Pflegebedürftige davon betroffen sein!
  2. Dem Fachkräftemangel muss mit aller Kraft begegnet werden.
  3. Pflegende Angehörige brauchen endlich eine Lobby.

Mehr Teilhabe für verschiedene Gruppen soll in Mülheims Nachbarschaftsnetz entstehen: Für die Pflegebedürftigen und Alten, denen ihre Nachbarn helfen, für die pflegenden Angehörigen, die auf diese Weise Hilfe und Entlastung bekommen, sowie für die engagierten Nachbarn selbst. Die Absicht: Die Stadtteile werden lebens- und liebenswerter, wenn sich Nachbarn mehr umeinander kümmern. Davon profitieren nicht nur die „Nehmenden“, sondern auch die „Gebenden“.

Die Dialog-Offensive Pflege will eine Kampagne durchführen, um das „Netz der Nachbarn“ engmaschig knüpfen zu können. Für die Umsetzung sollen Fördermittel beantragt werden. Die Rolle der Pflege- und Sozial-Profis besteht darin, Impulsgeber und Starthelfer zu sein. Mülheims Sozialplaner Jörg Marx, Moderator der „DOP“, nennt diese Aufgabe „Engagement mit einer Struktur hinterlegen“. Er erklärt: „Die Kampagne ist ein dynamischer Prozess mit Wechselwirkungen. Das Erreichen des Ziels wird nicht in Zahlen messbar sein, lässt sich aber an der Atmosphäre und dem Zusammenhalt im Stadtteil ablesen.“

Um die Bürger*innen erfolgreich zu guter Nachbarschaft aufzurufen, ist es entscheidend, die Freiwilligkeit auch sehr kleiner Dienste für jüngere und ältere Hilfebedürftige zu betonen. Denn eine Verpflichtung wollen und können die wenigsten Menschen eingehen.

Mit der Kampagne will die Dialog-Offensive nicht nur diejenigen ansprechen, die ihren Blick für die Bedürfnisse ihrer Nachbarschaft öffnen, sondern auch die Senioren selbst. Viele möchten nämlich niemandem zur Last fallen oder schämen sich, um Unterstützung zu bitten. Aber um möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben zu können, brauchen ältere Menschen ein hilfreiches Netzwerk, wenn ihre Kräfte, Gesundheit und Mobilität nachlassen. Kinder und Freunde sind nicht immer in der Nähe bzw. willens und in der Lage, sich um die „Alten“ zu kümmern.

Handlungsfelder für ein selbstbestimmtes Leben im Alter

Das Sozialamt der Stadt Mülheim an der Ruhr entwickelt bereits seit über zehn Jahren gemeinsam mit Bürgern Handlungsfelder für ein selbstbestimmtes Leben im Alter.

Wie diese Handlungsfelder zukünftig beschaffen sein sollen, hat Jörg Marx 2019 in der „Kommunalen Planung für Alter und Pflege“ beschrieben und weitere Entwicklungen aufgezeigt. Die Kommunale Konferenz für Alter und Pflege hat diese Planung verabschiedet. Ein umfangreiches Schriftstück, aus dem hier nur kurz zitiert werden soll:

Im Vorwort heißt es:

„Im Alter ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, so lange wie möglich unabhängig von fremder Hilfe und staatlicher Unterstützung zu bleiben, ist der Wunsch der meisten Menschen. Gemessen an der Gesamtzahl der älteren Menschen sind nur etwa 5 % von ihnen pflegebedürftig und damit auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Die Angst, mit zunehmendem Alter nicht mehr für sich selbst sorgen zu können, verbindet sich oftmals mit der Furcht vor drohender Einsamkeit und Isolation. Wer alt wird und sich auf die Hilfe seines Partners oder seiner Partnerin oder seiner Kinder verlassen kann, wer in funktionierenden Nachbarschaften lebt oder sich frühzeitig für alternative Wohnmodelle interessiert und im Alter in der Gemeinschaft mit Menschen lebt, die ihm vertraut sind, wird seltener auf professionelle oder ehrenamtliche Hilfeleistungen angewiesen sein. Ein großer Teil der älteren Bevölkerung lebt jedoch in Stadtwohnungen und Quartieren, in denen es nicht mehr selbstverständlich ist, die Nachbarn zu kennen und sich relativ mühelos an helfende Stellen wenden zu können.

Mülheim an der Ruhr verfügt über ein lebendiges Gemeinwesen, in dem professionelle und bürgerschaftlich engagierte Menschen sich bereits seit über 10 Jahren im Netzwerk der Generationen und in zahlreichen Projekten engagieren. (…) Mit diesem 1. Teil der Planung soll deutlich werden, dass die Lebensverhältnisse, die Herausforderungen, die Chancen und die Risiken des Älterwerdens ganzheitlich in den Blick zu nehmen sind. Es kann und soll gelingen, das Alter aus der ‚Problemzone‘ herauszuholen – dadurch, dass wir an den Chancen des Älterwerdens, an den Fähigkeiten und Stärken und am Erfahrungsschatz der älteren Bürgerinnen und Bürger anknüpfen. Ziel ist es, gemeinsam mit den Menschen aller Generationen ein selbstbestimmtes Leben in jedem Alter möglich zu machen.“

Unterstützung für ältere Menschen in Mülheim an der Ruhr

In Mülheim an der Ruhr existieren bereits zahlreiche von der Stadt initiierte Angebote für Senioren und pflegebedürftige Personen, die auch gerne in Anspruch genommen werden. Einige Beispiele:

Haushaltsnahe DienstleistungenNah&Fair®

Nah&Fair® ist ein Qualitätsverbund, der 2009 unter Beteiligung der Verbraucherzentrale NRW und der Stadt Mülheim an der Ruhr gegründet wurde. Bürger*innen, Dienstleister und gemeinnützige Organisationen kooperieren darin. Sie möchten dazu beitragen, dass Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben im eigenen Haushalt ermöglicht wird. Die beteiligten Firmen verpflichten sich, qualitative Mindestanforderungen einzuhalten.

Insbesondere ältere Menschen finden bei Nah&Fair® zahlreiche Anbieter, die ihnen mit haushaltsnahen Dienstleistungen das Alltagsleben erleichtern: darunter Handwerksbetriebe, einen Computerfachmann, Gartenbauunternehmen, Seniorenbegleitdienste und ein Umzugsunternehmen.

Netzwerk der Generationen

Das Netzwerk der Generationen ist ein von der kommunalen Senioren- und Wohnberatung und der Sozialplanung begleitetes Bürgerbündnis, das die Lebensverhältnisse insbesondere älterer Menschen in den Stadtteilen positiv beeinflussen will. Die Themen und Angebote der Stadtteilnetzwerkgruppen sind sehr unterschiedlich und entstehen aus den Bedarfen der Menschen im jeweiligen Stadtteil. Die Mitglieder treffen sich mindestens einmal monatlich.

Mehr als 700 Personen ließen sich seit 2008 in den Email-Netzwerkverteiler aufnehmen, allesamt engagiert in Projekten, Initiativen, Selbsthilfegruppen, gemeinnützigen Organisationen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und Gewerkschaften.

Die folgenden vier Leitsätze dienen dem Netzwerk der Generationen seit Beginn an. Sie wurden vor einigen Jahren von Sylvia Kade und Karin Nell für die Netzwerkarbeit in Düsseldorf formuliert und gelten ebenso für die Netzwerk*innen in unserer Stadt:

„Ich für mich“ (individuelles Engagement, Eigenverantwortung)

„Ich mit anderen für mich“ (gemeinschaftliches Engagement, Mitverantwortung, Interessengruppen)

„Ich mit anderen für andere“ (politisches Engagement, gesellschaftliche Verantwortung, bürgerschaftliches Engagement

„Andere mit anderen für mich“ (soziale Vorsorge).

Die Dialog-Offensive Pflege hat diese vier Leitsätze aufgegriffen und will ihre Nachbarschaftskampagne dementsprechend ausrichten.

SIA VIT – Selbstbestimmt im Alter – Vorsorgeunterstützung im Team

Vielen Menschen fällt es schwer, sich mit dem Lebensende auseinander zu setzen und Vorsorgeentscheidungen zu treffen. Zugleich schreckt viele die Vorstellung ab, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Das Projekt SIA VIT will ältere Menschen bei Bedarf besser unterstützen, wenn Nachbarschaftshilfe fehlt, rechtliche Betreuung aber (noch) nicht erforderlich ist.

Bundesweit entwickelten Seniorenbüros an 15 Standorten, darunter auch Mülheim, Modelle zum Erhalt der Selbständigkeit und Selbstbestimmung. Die Fachkräfte der Kommunen arbeiteten dabei mit Alten- und Betreuungshilfen auf lokaler Ebene eng zusammen. In einem „Bürger-Profi-Mix“ werden Teams aus Haupt- und Ehrenamtlichen gebildet, die ältere Menschen bei Überlegungen zur Vorsorge und bei der Organisation der Alltagsversorgung unterstützen. Die Fallsteuerung obliegt stets der Senioren- und Wohnberatung.

Mülheimer Lotsen und Bürgerlotsen in Dümpten

Die Initiierung von Lotsendiensten beruhte auf folgenden Annahmen: Im Alter entstehen Fragen dazu, wie ein selbstbestimmtes Wohnen möglich ist, wie der Tagesablauf gestaltet wird und wie Dienstleistungen in Anspruch genommen werden können. Mangelnde Informationen darüber verschlechtern die Teilhabe älterer Menschen. Zudem fehlen oftmals familiäre und freundschaftliche Netzwerke.

Die ehrenamtlich tätigen Bürgerlotsen in Dümpten bieten eine kostenlose Beratung für alle Bürger*innen an und weiten dieses Angebot nun auf neue Standorte aus. Sie haben ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte der Senioren und sind gerne Ansprechpartner im Stadtteil. Sie informieren und begleiten, halten nach und kümmern sich um alle anfallenden Anliegen.

Alltagsassistenz der PiA-Stiftung

Ziel dieses Projekts ist es, ältere hilfebedürftigen Menschen mit geringem oder ohne Einkommen zu begleiten und unterstützen. Der nach Art einer nachbarschaftlichen Hilfe organisierte Dienst soll dabei helfen, möglichst selbstbestimmt den Alltag bewältigen zu können. Eine soziale Isolierung soll vermieden, eine Heimunterbringung hinausgezögert werden. 2018 leisteten zwölf Alltagsassistent*innen mehr als 2.000 Besuche oder begleiteten alleinlebende Senioren zum Arzt oder Einkauf. Seit 2008 wurden über 200 Hilfesuchende betreut, zumeist kontinuierlich über viele Jahre.

UTA: UnterstützungsTelefon hilft Angehörigen von Pflegebedürftigen

Ein Projekt, das die Dialog-Offensive Pflege bereits 2018 ins Leben gerufen hat, ist UTA, eine Art „Sorgentelefon“ für pflegende Angehörige. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass pflegende Angehörige oftmals völlig überlastet sind. Wer zum Beispiel einen demenziell veränderten Angehörigen zuhause umsorgt, hat möglicherweise kaum mehr eine freie Minute für sich. Um sich Unterstützung zu organisieren, braucht es jedoch Gelegenheiten und die Kenntnis von Hilfsangeboten. UTA, ein kostenfreies Angebot der Dialog-Offensive Pflege, kann ein erster Schritt aus diesem Dilemma sein.

Menschen, die einen Angehörigen pflegen, können dort jederzeit anrufen und mit Pflegefachkräften sprechen, wenn sie etwas belastet oder sie einen Tipp im „Pflegedschungel“ brauchen. Sie hören zu, haben Zeit und den Überblick darüber, wer dem Ratsuchenden rasch und unbürokratisch helfen kann. Das UTA-Team vermittelt bei Bedarf Kontakte für eine professionelle oder ehrenamtliche Unterstützung.

Wichtig ist: Die UTA-Pflegeexperten haben keinerlei finanzielles Interesse und vermitteln auch nicht an bestimmte Pflegedienste o.a. Weil Sorgen rund um die Pflege sich nicht nach der Uhrzeit richten, ist das UTA-Telefon an sieben Tagen in der Woche von 0 bis 24 Uhr erreichbar. Die Dialog-Offensive Pflege möchte mit UTA als sehr niederschwelligem Angebot eine erste Entlastung schaffen. Die Gesprächspartner können Stress aus der aktuellen Situation herausnehmen und erste Perspektiven aufzeigen. Ob jemand nur reden möchte oder konkrete Hilfe braucht, spielt dabei keine Rolle.

Kontakt zu UTA: Telefonnummer 0800-342 56 41, täglich 0 bis 24 Uhr (kostenfrei) oder über den Link: www.uta-mh.de.

ZDF-Sendung „plan b“ berichtete über die Dialog-Offensive Pflege

Durch die Interessenvertretung pflegender Angehöriger „wir pflegen NRW“ wurde das ZDF im Frühjahr 2019 auf die Aktivitäten der Mülheimer Offensive aufmerksam und nahm Kontakt zu Jörg Marx auf. „Wie gehen Kommunen und bürgerschaftliche Initiativen mit der steigenden Anzahl pflegebedürftiger Menschen um? Welche Konzepte gibt es, um pflegende Angehörige zu entlasten?“ Diesem Thema widmeten sich die ZDF-Sendung „plan b“ am Weltalzheimertag, dem 21. September 2019, sowie der Länderspiegel am selben Tag.

An zwei Julitagen drehte ein ZDF-Team einen Beitrag über die Dialog-Offensive Pflege, vor allem zuhause bei Heike und Dirk Hempel. Heike Hempel ist schwer körperbehindert und ihr voll berufstätiger Mann pflegt sie. Der städtische Seniorenberater ist in der Dialog-Offensive Pflege engagiert. Auch Saskia Kühle, Teamleiterin im Pflegemanagement, Jörg Marx sowie die Tagespflege im Ruhrgarten und zwei Schüler des Besuchsdienstes der Gesamtschule Saarn, die die halbseitig gelähmte Frau seit Jahren jede Woche besuchen, wurden gefilmt.

Jörg Marx freut sich mit den Kolleg*innen darüber, dass das ZDF das Engagement der Dialog-Offensive Pflege dargestellt hat: „Ich hoffe sehr, dass dieser kurze Beitrag zeigt, dass es gemeinsam mit Vielen gelingen kann, die Würde und Lebensqualität Pflegebedürftiger und der sie Pflegenden in den Mittelpunkt allen Handelns zu stellen.“

Der kurze Fernsehfilm lenkte viel Aufmerksamkeit auf die Dialog-Offensive Pflege: Schon am Tag der Ausstrahlung klickten mehr als 2000 Menschen deren Webseite an.

Gemeinsam in Mülheim an der Ruhr eine gute Nachbarschaft verwirklichen

Wie es weitergeht: Das Mülheimer Bürgerbündnis will gemeinsam mit ihren Netzwerkpartnerinnen und dem Sozialamt ihre Arbeit am „Netz der Nachbarn“ fortsetzen. Die Umsetzung des Vorhabens braucht jedoch Zeit, weil die ehrenamtlich Mitwirkenden zumeist auch beruflich eingespannt sind. Ihr Wille, sich für hilfebedürftige Mitmenschen einzusetzen, eint und motiviert sie. Das in der Dialog-Offensive gebündelte Fachwissen über Pflege und soziale Belange soll der Lebensqualität in Mülheim an der Ruhr zugutekommen. Um ein Zusammenleben „Hand in Hand“ zu stärken, ist aber die Bürgerschaft insgesamt gefragt: Für eine gute, lebendige Nachbarschaft braucht die Stadtgesellschaft möglichst alle Menschen.

INFO

Die Dialog-Offensive Pflege geht auf die Initiative der kommunalen Pflegekonferenz zurück. Die Ergebnisse einer umfassenden Befragung im Jahr 2010 in fast allen Mülheimer Alteneinrichtungen und ambulanten Pflegediensten führten zu ihrer Gründung. Das Ziel der Arbeitsgruppe von Bürger*innen und professionellen Pflegekräften besteht darin, einen menschenwürdigen Umgang mit Pflegebedürftigen, ihren Angehörigen, ehrenamtlich Tätigen und Pflege-Profis zu erreichen und nachhaltig sicherstellen zu können. Eine Lenkungsgruppe, moderiert durch die Sozialplanung der Stadt, sorgt für die kontinuierliche Weiterentwicklung dieses ethisch ausgerichteten Bürgerbündnisses.

Menschen in den Dialog bringen

Die Dialog-Offensive Pflege will Menschen miteinander in den Dialog bringen, unabhängig von Institutionen und Interessenverbänden – Profis, Pflegebedürftige, Angehörige und Interessierte. Der offene Austausch aller Beteiligten ist die Bedingung, um die Lebenssituation Pflegebedürftiger und ihrer Familien sowie die Arbeitsbedingungen Pflegender nachhaltig zu verbessern.

Das bürgerschaftlich getragene Engagement soll zum sozialpolitischen Leitbild der Stadt Mülheim beitragen. Seit dem Start konnten unbürokratisch gute und wichtige Lösungen in Mülheim an der Ruhr auf den Weg gebracht werden. Kommunale Verwaltung und Politik unterstützen die Dialog-Offensive Pflege.

Ethisches Leitbild „Mülheimer Erklärung“

Ein wesentliches Ergebnis ist die „Mülheimer Erklärung zur Würde und Lebensqualität Pflegebedürftiger und der sie Pflegenden“: Dieses ethische Leitbild will die öffentliche Diskussion über Menschenwürde in der Pflege weiter voranbringen und das Bewusstsein für eine gemeinsame Verantwortung aller gesellschaftlichen Kräfte schärfen. Die Mülheimer Erklärung ist die Voraussetzung dafür, dass die notwendigen Entscheidungen zur Umsetzbarkeit der Menschenwürde in der Pflege trotz oft widerstreitender Interessen konsens- und umsetzungsfähig werden.

www.dialogoffensive-pflege.de

Gudrun Heyder

Gudrun Heyder, freiberufliche PR-Journalistin und Autorin, ist seit 2007 Inhaberin des Redaktionsbüros „gudrun heyder – text, redaktion, pr“. Sie unterstützt die Dialog-Offensive Pflege seit einigen Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit.